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Lukas Enzler

«Verschnupfte» globale Wirtschaft

23.12.2019 – Die Notenbanken sind die Medizinmänner der Konjunktur. Ihr Rezept: Expansive Geldpolitik.


Die Nase läuft und alles schmerzt. Es ist wieder Virenzeit! Eine kleine Tablette reduziert schnell und zuverlässig das Leiden auf ein erträgliches Mass. Während die Menschen nur kurzfristig die Leidenszeit mit Arzneimitteln angenehmer gestalten, scheinen die Volkswirtschaften mehr Süchtige als Patienten zu sein. Seit mehr als zehn Jahren wird mit dem gleichen Rezept gearbeitet: Fehlt die erlösende Ausdehnung der Geldmenge, kommt die schwache Konjunktur bereits wieder ins Schwanken. Dabei werden aber keine (Struktur-)Probleme gelöst, sondern nur das Fieber etwas gesenkt. Kurzfristig geht es jedes Mal den Betroffenen sicher etwas besser. Und all das soll ohne Spätfolgen bleiben?


Konjunkturelle Ausgangslage

Die US-Notenbank (Fed) versuchte seit 2017 schrittweise die Zinssätze wieder zu normalisieren, also ganz langsam wieder zu erhöhen. Die Wirtschaftsentwicklung in den meisten US-Staaten sollte so von einer Überhitzung bewahrt werden. Normal ist, dass je länger die Laufzeit eines Kredites ist, ein höherer Zinssatz bezahlt werden muss. Im August 2019 musste plötzlich für dreijährige Kredite mehr bezahlt werden als für fünfjährige. Die Zinskurve ist invers geworden. Schlimm daran ist eigentlich nur, dass es nach dem Auftreten einer solchen inversen Zinskurve früher oder später (aber immer) zu einer Rezession gekommen ist. Seitdem hat das Fed die Zinssätze zweimal leicht gesenkt. Die seit zehn Jahren nicht wesentlich erstarkte US-Industrie erwartet eine Abschwächung.

Die Europäische Zentralbank hat die Chance von Zinssatzerhöhungen verpasst. Die Geldmenge wurde sogar entgegen der im letzten Jahr gemachten Aussage weiter erhöht. Seit September werden pro Monat 20 Mia. Euro bis auf Weiteres in Anleihen investiert. Die Zinserträge aus den bislang getätigten Investitionen werden immer noch für weitere Aufkäufe von Anleihen (wie Obligationen von schwachen Staaten der Europäischen Union) eingesetzt.


Der Handelskonflikt der Grossmächte USA und China und der Brexit lenken von der eigentlichen Problematik ab. Beide Themen werden die Medien und somit die Märkte weiter in ihren Bann ziehen.


Die strukturellen Unterschiede in der Eurozone haben in den letzten Jahren mehr zu- als abgenommen. Dabei hätte der Euro ursprünglich etwas anderes bewirken sollen. Das grösste (aber nicht das einzige) Sorgenkind ist Italien. Mit wieder einmal einer neuen Regierung werden nun wohl weitere Grossbanken vor dem Kollaps gerettet…


Wo Schatten ist, da gibt es auch Licht: Die Arbeitslosenzahlen sind in den Industriestaaten tief und die Konsumentenpreise stabil. Der Konsum der privaten Haushalte sowie deren Vertrauen sind weiterhin auf einem hohen Stand – ebenso deren Verschuldung.


Die Schweiz schneidet insgesamt sehr gut ab. Anhand der vielen Bauprojekte wird in absehbarer Zeit die Arbeit nicht ausgehen...


Erkenntnisse aus Finanzmärkten

In Folge des Geldsegens konnten die Aktienmärkte mit fetten Gewinnen aufwarten. Diese Gewinne waren Ende 2018 ebenso unerwartet gewesen, wie die abermalige Ausdehnung der Geldmenge. Damit die (zu) hohen Unternehmensbewertungen gerechtfertigt werden können, müssen nun auch gute Zahlen präsentiert werden. Falls dies nicht der Fall sein sollte, wird die Enttäuschung das ihrige tun.


Die Gefahr einer Rezession sowie eines «schwarzen Schwanes» ist heute höher als 2008. Damals war die sogenannte Subprime-Krise der Auslöser für eine nachhaltige Korrektur. Mit den schwarzen Schwänen verhält es sich leider gleich wie mit dem Hai und der Kokosnuss: Als Gefahr wird der Hai wahrgenommen. Die Kokosnuss überrascht. Ein als schwarzer Schwan bezeichnetes Ereignis tritt ebenfalls komplett unerwartet auf. Was letztlich die Märkte in die Tiefe ziehen wird, ist heute nicht erkennbar. Sicher scheint nur, dass ein solches Ereignis nicht mehr zehn Jahre auf sich warten lässt.


Konsequenzen für Anlagetätigkeit

Wir glauben nicht, dass die Geldschwemme und die Staatsschulden auf Dauer kein Problem sein werden. Sobald das Vertrauen verloren geht, kann es erschreckend schnell gehen. So dramatisch wie bei der Weimarer Republik (Inflation und Politik) muss es nicht kommen. Die Gefahren sind heute aber eindeutig grösser als die Chancen. Währungsmässig bevorzugen wir Schweizer Franken. Langfristiges Denken ohne Spekulation wird der Schlüssel zum Erfolg sein.




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